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Interview mit Ashley: 'Wir wollen leben und wir wollen kämpfen'

8. August 2021 12:14
Interview mit Ashley: 'Wir wollen leben und wir wollen kämpfen'

"Mich haben zwei Dinge belastet. Einerseits lagen mir die gesellschaftlichen Erwartungen und Gepflogenheiten auf der Brust, andererseits fand ich mich selbst nicht schön. Das war nicht ich, wenn ich die Spiegel schaute. Heute bin ich die, die ich schon immer war. Ich kann Kleider und Röcke tragen, wenn ich will und genauso weite T-Shirts und Baggy-Jeans, wenn ich will; ich kann mit Make-Up spielen, wenn ich will."

Ashley druckst nicht herum oder weicht aus, im Gegenteil. Sie steigt direkt ein in 2015, als sie ihrer Familie und ihren Freundin sagte, sie möchte eine Frau werden. Damals war sie 25 Jahre alt und dachte, sie hätte bis dahin ihre weibliche Seite als Mann gut versteckt.

Es ist keine traurige Geschichte, es ist eine gute Geschichte. Es muss nicht immer traurig sein. "Wir sind nicht immer traumatisiert, wir sind Menschen. Einfach Menschen. Wir wollen leben und wir wollen kämpfen."

Ashley ist heute 31, eine Transfrau, Lesbisch und Sneakerliebhaberin. Ich treffe die Niederländerin, die aus der Nähe von Eindhoven kommt, via Zoom.

@ashleykleyngeld

Wann hast Du Dich entschieden, eine Frau zu werden?

In 2015 habe ich mich zuerst meiner Familie gegenüber geoutet und dann meinen Freunden gesagt, dass ich eine Frau werden will. Meine Familie hat sehr gut reagiert, meine Mama hat mich extrem unterstützt. Sie meinten sie wären glücklich, wenn ich glücklich wäre.

Bei meinen Freunden hatte ich zunächst mehr Bedenken. Ich war in einer Gruppe mit fast ausschließlich männlichen Freunden und hatte eher immer das Gefühl ich müsse bei ihnen auch ein 'richtiger Mann' sein. Doch letztlich habe ich selber eine größere Sache daraus gemacht, als sie.

Wann wusstest Du, dass Du eine Frau bist?

Ehrlich gesagt wusste ich das schon lange. Ich glaube es hat angefangen, als ich in der achten Klasse war und da eben so ungefähr 12 Jahre alt. Meine Mitschülerinnen fingen an, weiblicher zu werden, schlicht zu pubertieren. Ich eckte irgendwie an, weil ich anders war und immer eifersüchtig auf die Mädchen. Ich war aber viel zu schüchtern irgendwem das zu sagen und dachte eher, ich müsse einfach nur meinen Mann stehen.

Tatsächlich fragte ich damals meine Oma, was ich tun müsse, dass ich auch einen Rock anziehen könne. Sie ist darauf aber nicht eingegangen. Sie gehörte zu einer anderen Generation und auch die Zeit damals war eine andere. Wir hatten kaum Vorbilder, es gab nur sehr wenige transPersonen in der Öffentlichkeit.

Mit 14 fing ich also an, meine Gefühle zu unterdrücken. Ich trank und ich rauchte Weed. Einfach nur um mich zu vergessen, mich und die Tatsache, dass ich hier nicht reinpasse. In die Erwartungen und in meinen Körper. In 2012 starben meine Großeltern. Es hat mich so hart getroffen und plötzlich waren alle Gefühle wieder da. Ihr Tot hat mir die Augen geöffnet: das Leben ist kurz.

"Warum soll ich ein Leben leben, das andere von mir erwarten. Es ist mein Leben. Meine Entscheidungen. Ich muss nicht für jemand anderen leben."

Pride Interview

In 2013 ging ich schließlich ins Krankenhaus und sprach mit einem Therapeuten. Ein Jahr später hatten sie einen Platz für mich und ich begann, eine Frau zu werden.

Ich bereue heute, dass ich nicht eher ehrlich zu mir und zur Welt war. Hätte ich eine Zeitmaschine, dann würde ich auf jeden Fall einsteigen und die Wahrheit aussprechen, schon als Kind. Deshalb teile ich auch meine Geschichte, um anderen Mut zu machen.

Was passierte dann?

In 2015 begann ich Hormone zu nehmen, in 2016 hatte ich meine Geschlechtsumwandlungsoperation und in 2017 dann meine Brustoperation. Außerdem ließ ich mir die Bart- und Armhaare mit einer Laserbehandlung entfernen und Haare transplantieren, denn ich war schon ein bisschen kahl. Zudem nahm ich noch Sprechunterricht, damit meine Stimme femininer klingen würde.

"Es war das Beängstigendste und Schmerzhafteste was ich je gemacht. Ich hatte auch Komplikationen, weil ich zu schnell zu viel wollte. Doch hier bin ich und ich fühle mich jetzt komplett. Jetzt bin ich eine normale Frau."

Die Versicherung übernahm das operative, doch damit allein fühlte ich mich nicht vollständig. Jeder und jede ist anders, deshalb geht jeder und jede seinen und ihren eigenen Weg und braucht demnach individuelle (finanzielle) Unterstützung. Geschlechtsumwandlung ja, aber nur unter den Bedingungen der Versicherung und unter den Bedienungen des Krankenhauses.

Das ist unter anderem das Problem der Monopolstellung des Krankenhauses in Amsterdam. Es ist das einzige, das Geschlechtsumwandlungen in den Niederlanden durchführt und kann sich deshalb zu viel erlauben. Viele Fehler werden verschleiert, denn Patient:innen trauen sich nicht etwas zu sagen. Sie sind auf die Behandlung angewiesen und wollen demnach nichts riskieren, auch wenn sie mit manchen Schritten unglücklich sind. Außerdem arbeitet in der Abteilung keine einzige transPerson, denn die würden keine richtigen Entscheidungen treffen, sagt das Krankenhaus.

Der Niederländische Account @vugendermistreatment erzählt die Geschichten von Menschen, die dort behandelt aber auch falsch behandelt wurden.

Auch die Warteliste ist von über zehn Monaten bei Ashley auf circa 18 Monate angestiegen. Einerseits erfreulich, weil sich mehr Menschen trauen, sie selbst zu sein, doch dem müssen auch Taten folgen. Mehr Krankenhäuser, mehr Therapeut:innen, mehr Behandlungen. Auch hierfür empfiehlt sie einen niederländischen Account @damnhoneyhetboek. Es ist ihr ein großes Anliegen, auf diese Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen.

transgender rights
transgender rights
transgender rights
@damnhoneyhetboek

Du hast gesagt, du hast früher den Druck der Gesellschaft als schwere Last empfunden. Wie ist das heute?

Ich habe großes Glück, denn ich habe nichts erlebt. Keine Zurückweisung, keinen Spott keine Anfeindungen. Menschen schauten mich nur manchmal ein bisschen komisch an, weil sie es nicht verstanden. Doch leider kenne ich auch welche, die schon anderes erfahren mussten.

So, wie ich bin, damit verletzte ich niemanden. Jeder und jede sollte einfach sein und ihr eigenes Ding machen. Lasst Menschen doch einfach ihr eigenen Leben leben, es geht euch nichts an und niemand braucht eine Meinung über die Entscheidungen des anderen haben. Lassen wir doch jeden einfach sein.

Ich arbeitete lange in der Fashionbranche, bis kurz vor meiner Transition bei Foot Locker. Sie hätten mich unterstützt, doch gleichzeitig hätten sie sich sorgen um mich gemacht, ich könnte verletzt werden, wenn ich im Store stehe und Kunden mich beleidigen würden. Damals war ich dann arbeitslos für fünf Monate und arbeitete an mir selbst. Mich selbst zu akzeptieren, meine feminine Seite rauszulassen und sie gut zu finden. Das war was ich wollte, aufhören mit dem Versteckspiel.

Heute bin ich einfach nur eine Frau. Sobald das klarer war, konnten mich Leute wieder besser einschätzen und mir ungezwungener begegnen. In meinem Tinder-Profil habe ich beides ausprobiert: mit und ohne der Assoziation in transgender. Wenn ich meinen Matches später gesagt habe, wer ich bin, waren viele erst cool damit und haben dann doch den Kontakt abgebrochen. Irgendwie habe ich auch zuerst angenommen, Männer würden mich nicht wollen. Ich habe probiert, Männer zu daten, doch dann festgestellt, dass ich mir langfristig da nicht nichts vorstellen kann. Heute steht in meinem Profil, dass ich transgender bin und ich date Frauen. Meine Matches jetzt machen kein Aufheben darum.

Kommen wir von der großen Liebe zur 'kleinen' Liebe, deiner Liebe für Sneaker. Erzähl mal.

Ja, das begann auch, als ich ein Kind war. Damals lebte ich bei meinen Großeltern, die mir das Tragen von Sneakern nur zum Sport erlaubten. Sie waren der Auffassung, dass Sneaker schlecht für den Fuß und damit für die Entwicklung waren. Das machte meine Liebe ein bisschen bitter, denn alle anderen durften die Kicks immer tragen. Trotzdem wünschte ich mir zum Geburtstag und zu Weihnachten immer Sneaker. Als ich mein eigenes Geld verdient, trug ich dann nichts anderes mehr. Ich fuhr sogar zu verschiedenen Städten und suchte dort nach besonderen Sneakern.

Meine Herz gehört Nike, ganz klar. Als ich klein war, arbeitete ein Freund der Familie bei Nike und von ihm bekam ich immer mal wieder kleine Geschenke. Nike-Pins oder so. Meine Lieblingsmodelle sind die Jordan 1 Mid und High, AJ 4 und 5, Dunk Low und Dunk SB Low, der Air Max 1 und der Nike Huarache.

Air Max 1
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Ashley

Nike Air Max 1 Premium 030 | 512033-030

Air Max 1 Premium 'Strawberry Lemonade' | CJ0609-600

Nike Air Max 1 Premium 'Lemonade' | CJ0609-700

Für meine Outfits stelle ich meine Schuhe gerne ins Spotlight. Dazu gehören alle Sneaker, auch die, die ich noch als Mann kaufte. Ich liebe dabei vor allem Prints, aber habe sowohl dunkle als auch helle und auffällige Colorways. Auf meiner Wishlist sind der AM 1 Elephant und auch der Dunk Elephant.

>> Lest hier mehr über den ultra beliebten atmos x Nike Air Max 1 'Elephant' <<

Vor zwei Tagen erst, lacht, das passt jetzt ganz gut, wenn ich sage mein Herz gehört Nike, habe ich mein erstes Paar adidas gekauft. Ich war beim Shoppen und hab den Ozweego gesehen, doch erst wieder weggelegt. Er ging mir jedoch nicht aus dem Kopf und deshalb habe ich ihn mir dann doch geholt. Er erinnert mich ein bisschen an die Yeezys, von denen ich mir - auch wenn ich Kanye nicht mag - irgendwann dann doch noch ein Paar zulegen will.

Findest Du die Sneakerszene ist inklusiv (genug) oder hast Du einen Wunsch für Verbesserung?

Was ich wirklich blöd finde sind die WMNS Releases, beziehungsweise die Differenzierung in Mens und WMNS Sizing und Farben überhaupt. Wenn die Brands ein großes Beispiel setzen wollen, dann könnten sie in Zukunft einfach one sizing machen. Ich kenne Frauen mit großen Füßen und kleinen Füßen und genauso kenne ich Männer mit großen Füßen und mit kleinen Füßen.

Liebe Ashley, vielen Dank für das Interview, deine Geschichte und deine Ehrlichkeit. Alles Gute für Dich!

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