Männer- und Frauen Sneaker werden in Stores traditionell getrennt angeboten, weil man der Meinung ist, dass dies die effizienteste Art ist, Kunden das Shoppen zu erleichtern. Da jedoch in den letzten Jahren ein inklusiver Ansatz für Sneaker an Popularität und öffentlichem Diskurs gewinnt, besprechen wir heute mal die Trennung der Geschlechter in Sneakerstores.
Shops wie OFF-Spring und SNS sowie Sneaker-Boutiquen haben manchmal gerade keine geschlechtsspezifischen Segmente und verfolgen stattdessen einen Unisex-Ansatz. Das ist zwar inklusiver, aber es kann das Einkaufen schwieriger und verwirrender machen. Also was jetzt und wie jetzt?
Das Hauptproblem bei den Damenabteilungen in Schuhgeschäften ist, dass sie in der Regel kleiner als die Herrendisplays sind und sich die Verkaufsfläche mit dem Angebot für Kinder teilen (müssen). Das kann unter anderem frustrieren und enttäuschen. In Shops, in denen es (immer noch) keine WMNS-Abteilung gibt, wird das Dilemma gleich ganz vermieden, aber ist das gut?
Pro, Contra und die goldene Mitte
Liebe Sneakerjagers, was denkt ihr darüber? Meiner Meinung nach ist das ein sehr ambivalentes Thema. Einerseits muss es aus der Sicht der Marken und Retailer betrachtet werden, die - wie wir wissen und wie wir verstehen - ein gutes Geschäft und demnach viele Sales machen wollen. Andererseits dürfen wir als Verbraucher auch überlegen, was wir wollen für eine bessere Shoppingexperience.
Da ich eine Freundin von Metaphern bin, spinnen wir das Rad jetzt ein bisschen weiter. Immerhin sind Sneakerstores sozusagen die Reinkarnation unserer Sneakerwelt und damit mehr als reine Verkaufsflächen. Sie symbolisieren einen Treffpunkt für Begeisterte und Gleichgesinnte, sind Umschlagplatz für Austausch und Inspiration und Katalysator für Kreativität.
Demnach lässt sich argumentieren, dass sie Sinnbild für die Szene an sich sind. Sinnbild für den Kampf um Unisex Modelle, inklusives Sizing und eine gleichwertige Stimme der Frauen und non-binären Personen, wenn es um Sneaker geht, aber grundsätzlich auch im alltäglichen Leben.
Natürlich muss man dabei beachten, dass die Mode vom subjektiven Eindruck her, ohnehin von Frauen dominiert wird. So bemängeln viele Männer genauso, dass die meisten Retailer, abseits von Sneakerstores, eine viel größere Frauenabteilung haben, als die der Männer ist. Bei Sneakern - und wirklich nur bei Sneakern - ist es einmal andersherum, aber ist das gut?
Geschlechtsspezifisches Kaufverhalten: Samlerinnen und Jäger
Shoppen macht Frauen einfach mehr Spaß, erklärt das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen e.V. in einem 2012 veröffentlichten Artikel. Das geht, wie alles in unserem Leben, auf die menschliche Evolution zurück. Frauen seien Sammlerinnen, Männer seien die Jäger, so Kruger und Byker in ihrer Studie 2009. Weiter waren Frauen demnach für für die sichere Versorgung der Familie oder auch anderen Personen der Gemeinschaft über einen längeren Zeitraum verantwortlich, während der Mann nur jagte, wenn Bedarf bestand.
Überträgt man also die angelernten geschlechtsspezifischen Gewohnheiten auf das Heute, erkennt man, generalisierend, dass Frauen auch heute noch sammeln. Sie gehen öfter einkaufen und prüfen dabei durch Vergleiche die Wareneigenschaften. Demnach sprächen sie auch besonders auf (saisonale) Sonderangebote an und sehen Shoppen als soziale Aktivität, während Männer zügig und zielorientiert einkaufen.
Ob das nun auch auf männliche Sneakerheads zutrifft? Zumindest die Zielorientierung, was meint ihr? Oder vielleicht gibt es aus dem Grund sogar mehr männliche Sneakersammler, die sich zügig und zielorientiert den Schuh ihrer Begierde schnappen?
Zudem müssen wir diskutieren, wie relevant der physische Sneakerstore überhaupt noch ist und Käufer ihre Produkte nicht eher online erwerben. Doch natürlich gibt es auch online die Geschlechtertrennung. Insgesamt erhöht sich die Tendenz im europäischen Vergleich von 2015 und 13%, die mehr als zehn Mal in den letzten drei Monaten im Internet bestellt haben, auf 15% in 2017. Bei Frauen erhöhte es sich von 11% auf 14% im gleichen Zeitraum. Sportartikel und Kleidung führten dabei beide Tabellen an. Letztlich bestellen aber weniger Junge, also von 25-44 Jahren, im Internet (2019).
Gendermarketing
Seit den 90er Jahren ist Gendermarketing in den USA bekannt und viele Unternehmen setzen es dort erfolgreich um. In Deutschland dagegen hat man erst Anfang der 2000er begonnen, geschlechtsspezifische Anforderungen ans Marketing zu stellen.
Offensichtlich ist, dass Männer und Frauen unterschiedlich sind und demnach unterschiedlich handeln. Deshalb gibt es ja auch Gendermarketing, dass eine "wichtige Herausforderung für die Zukunft und [...] darüber hinaus ein entscheidendes Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb sein" kann, formulieren Rennhak und Nufer 2010 in ihrer Gendermarketing Studie.
Puh, in einer sich so schnell verändernden Branche ist eine zehn Jahre alte Studie durchaus genau das: veraltet. Nur kratzen wir hier auch nur an, was man nicht in wenigen Worten zusammenfassen kann.
Trotzdem spannend bleibt allein einmal darüber nachzudenken, wie strategisch Marken ihren Produkten funktionale, ästhetische und personifizierte Eigenschaften zuordnen. Sollte uns ja irgendwie auch nicht mehr überraschen. Lest hier gerne hier nochmal mehr zu Rollenbilder und Gendermarketing.
"Der Gang durch Lebensmittelgeschäfte, Schreibwarenläden und Drogeriemärkte mit ihren unterschiedlich gegenderten Produkten lässt Fragen aufkommen: Schreiben Frauen blumiger als Männer? Brennen Feuerzeuge für Frauen sanfter? Bügeln Männer nur gerne in schwarz und nutzen Frauen lieber kleine
Antonia Wagner, 2018, in POP. Kultur und Kritik (13)
statt große Akku-Schrauber? Unterscheidet sich die Rasur beim Mann von der
Rasur bei einer Frau?
Ist es bei Sneakern anders? Der Trend geht durchaus weg von Gendermarketing. Doch schaut man sich die klare Rollenverteilung beim Targeting an, merkt man, dass die Werbung großer Unternehmen immer noch einzelne Geschlechter anspricht.
Unser Sneakerjagers Tommy Triggah meint, dass die Geschlechtertrennung für Marken und Retailer durchaus lukrativ ist. Zweifache Abteilung, zweifacher Releases, potentiell zweifacher Gewinn.
Was meint das Sneakerjagers-Office?
Auch die Meinungen in unserem Büro gehen stark auseinander. Während die einen eine Unisex-Abteilung bevorzugen würden, sehen die anderen in der Separation kein Problem. Aïcha empfindet 'Gender Neutral Movement' als wichtig, doch eine Aufteilung in verschiedene Abteilungen in den Stores ist nicht nötig.
Dion, der bei uns für den Release Kalender zuständig ist, sieht den Grund für die Aufteilung in den unterschiedlichen Farben begründet und zudem den kommerziellen Nutzen für Retailer, es zu belassen, wie es ist.
Unsere SEO-Expertin Claire bevorzugt das geteilte Angebot in den physischen Stores. Sie wären jeweils ja nicht exklusiv für das jeweilige Geschlecht. "Ich trage einfach einen Schuh", sagt sie. Da gäbe es keine Differenzierung. Egal ob Mann, Frau oder Pinguin. Doch bei Online-Shops ist sie anderer Meinung. Sie mag nicht zwischen Damen und Herren wechseln, sondern hätte gern eine Seite für alles. Faulheit sei der Grund.
Tommy, unser Brand Manager, ist hin- und hergerissen, genau so Sneaker Steve. Beide sind realistisch und haben persönlich keine Probleme mit der Geschlechtertrennung. Tommy trägt eine 43, das heißt er kann ohnehin in beiden Abteilungen einen neuen Sneaker finden.
Steve sieht jedoch die Zukunft in einer Unisex-Abteilung. Er begründet seine Annahme damit, dass sich in den letzten fünf Jahren schon so viel getan habe und die Diskussion um Gender diese Entwicklung in allen Bereichen weiter vorantreibt.
Nikki kümmert sich um unseren Sneakerjagers WMNS Channel auf Instagram. Sie arbeitet selbst auch noch bei Solebox in Utrecht. Dort habe man die Gender-Zeichen vor einiger Zeit abgenommen und alle Kunden würden jetzt einfach ihre Runde im Store drehen. Schließlich bedeutet für Nikki eine größere Auswahl an Sneakern auch potentiell mehr Sales, was sie als positiv empfindet.
Ein Schlusswort: es bleibt diskussionswürdig
Auch Maren, unsere Deutschland Chefin, sieht das Thema ambivalent. Viele Argumente im Beitrag spiegeln ihre Meinung schon wieder. Persönlich habe sie sich noch nicht daran gestört, doch bei genauerem Nachdenken fände sie es etwas problematisch, dass Frauen meist nur die Hälfte der Fläche haben, die Männern zugeteilt wird. Ein komplettes Unisex Angebot wäre ihr aus dieser Sicht auch am liebstem, vor allem weil Sneaker ja oft einfach auch jedem gefallen und das auch sollen! Außerdem würde die Frauen- oft mit der Kinderabteilung kombiniert werden. Warum?
Letztendlich kann man sagen, dass es keinen richtigen oder falschen Weg gibt. Es hängt alles von dem Geschäft ab, von dem, was es verkauft, von der Zielgruppe und vom Standort. Es geht dabei auch um die weitere Liberalisierung der Gesellschaft. Frauen die Männerklamotten tragen, Männer die Frauenklamotten tragen, Menschen, die schlichtweg tragen, was sie wollen. Warum also nicht alle Optionen ausprobieren und ausloten?