Skip to content
Sneakernews

Viel Schweiß und kein Preis: Wo bleibt die Anerkennung für den Frauenfußball?

19. Juni 2021 20:15
Viel Schweiß und kein Preis: Wo bleibt die Anerkennung für den Frauenfußball?

Gerade vereint ein Sport mal wieder tausende von Fans, lässt Menschen an einem Strang ziehen und für eine gemeinsame Sache jubeln. Die Europameisterschaft hat begonnen und alle feiern ihre Nationalelf. Wir alle wissen, wann die Deutschen den Titel nach Hause geholt haben. Dass die Frauennationalmannschaft in Europa die Rangliste anführt und international den zweiten Platz einnimmt wissen weniger. Warum? Wo bleibt die Anerkennung für den Frauenfußball? Die gleichen Zuschauerzahlen, die gleiche Unterstützung, die gleichen Gehälter?

Frauenfußball Meme
Dorthe Landschulz
Frauenfußball Cartoon
Miguel Fernandez

Frauenfußball muss man - kann man auch eigentlich gar nicht ernst nehmen

Wim Thoelke, ZDF-Sportstudio Moderator, sagt 1970 in der Show: "Da fragt man sich natürlich - also ich frage mich und ich nehme an, Sie sich auch - was sind denn das für Mädchen, die das betreiben und aus welchen Gründen tun sie das?" Wie kann frau es sich auch anmaßen, Fußball spielen zu wollen. Wer passt denn dann auf die Kinder auf, wer kocht und wäscht und bügelt und was macht frau, wenn die Frisur nicht mehr passt oder der Fingernagel abbricht?

Seit zehn Jahren sponsert die Commerzbank die Frauennationalelf. Dazu haben sie ein gutes Kampagnenvideo gemacht, dass nochmal zusammenfasst, womit unsere Nationalspielerinnen zu kämpfen haben und wogegen sie sich durchsetzen müssen.

Die Geschichte des Frauenfußballs

Manchmal galt Frauenfußball tatsächlich als moralisch verwerflich, als seelische Belastung für die Frau und schlicht unpassend. Doch fangen wir von vorne an. In Frankreich des 12. Jahrhundert gab es schon eine Art Fußball (la sioule), wobei in diesem Vorläufer sowohl Männer als auch Frauen spielten.

Ein Höhepunkt des Frauenfußballs war in anderen europäischen Ländern während des ersten Weltkrieges und in den 20ern. In Deutschland dagegen galt Fußball als Männersport und so beschwerte sich der Deutsche Turnerbund sogar über wenige Studentinnen in kurzen Hosen, dass dies kein Auftreten für „künftige deutsche Akademikerinnen" sei. Trotz der Widerstände organisierten Frauen 1922 die ersten Hochschulmeisterschaften.

Im Nationalsozialismus sollten die Frauen hinter den Herd und als gute Mütter die Kinder versorgen. In der BRD der 50er wurden Frauenmannschaften gegründet, in der DDR war der BSG Empor Mitte-Dresden die erste Frauenmannschaft.

Frauen Fußball
imago/ZUMA Press/Keystone

Doch dann beschloss der DFB 1955 einstimmig, Fußball für Frauen zu verbieten: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand“ und weiter: "Aus ästhetischen Gründen und grundsätzlichen Erwägungen" sei Fußball als Kampfsport nicht geeignet für die Frau.

Natürlich spielten die Frauen weiter, in sogenannten 'Wilden' Mannschaften, die nicht dem DFB unterstanden. 1956 spielten sie ein inoffizielles Länderspiel gegen eine niederländische Auswahl und gewannen 2:1. Eine der lokalen Mannschaften war Fortuna Dortmund, wo auch das Ausnahmetalent Christa Kleinhaus spielte.

Frauen Fußball Gleichbereichtigung
imago/WEREK


15 Jahre sollte es dauern, bis sich die Lage offiziell für Frauen änderte. Nach Schätzungen spielten da eh schon zwischen 40.000 und 60.000 Mädchen und Frauen in der BRD Fußball. Manche DFB-Vereine ignorierten da schon das Verbot und tarnten ihre Frauenmannschaften als 'Alte Herren' im Trainingsplan.

Die Frauen dürfen wieder spielen

Der DFB in Travemünde hob erst am 31. Oktober 1970 das Verbot auf, allerdings nur unter Auflagen. Frauen war es zunächst nicht erlaubt Stollenschuhe zu tragen, das Spielfeld war kleiner und im Winter mussten sie eine längere Pause machen. Statt den üblichen 90 Minuten betrug die Spielzeit zwei Mal 30 Minuten, das änderte sich erst 1993. Außerdem war das absichtliche Handspiel ausdrücklich erlaubt, Frauen sollten sich so besser schützen.

Eine offizielle deutsche Nationalmannschaft durfte 1982 erstmals antreten. Da besiegten die Deutschen die Schweiz mit 5:1 in Konstanz. Sieben Jahre später gewannen die Spielerinnen die Europameisterschaft im eigenen Land, woraufhin eine zweigleisige Bundesliga beschlossen wurde.

Mittlerweile ist es üblich und irgendwie Netiquette auf Instagram sogenannte Triggerwarnungen zu geben. Das heißt vorzuwarnen, wenn etwas schlimmes passiert. Ich lege euch das folgende Video ans Herz, warne euch aber: Die Aussagen der Männer in diesem Film stammen nicht aus der Steinzeit, sondern wurden vor wenigen Jahrzehnten ausgesprochen (*es ist hier halb ernst/halb Spaß).

Viel Schweiß, kein Preis

Der Profisport ist hart, die Leistung und die Opfer, die erbracht werden müssen, hoch. Bei jeder Sportart, für jeden Sportler und jede Sportlerin jeder Nation. Doch irgendwie scheint es, als müssten die Frauen, zum Beispiel auch beim Profi-Fußball, immer mehr schwitzen und härter kämpfen - und das nicht unbedingt gegen ihre Gegner!

Warum sollen Frauen immer (noch) weiter, immer (noch) schneller laufen, immer (noch) höher springen und immer mehr leisten als Männer für die gleiche Aufmerksamkeit?

Die 'Deutsche Fußballnationalmannschaft' ist auf Wikipedia die der Männer, mit einem Sternchen weisen sie daraufhin: *Dieser Artikel behandelt die Mannschaft der Männer. Siehe auch Deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen.

Wagen wir neben dem finanziellen, auch einen Vergleich der Erfolge unserer beider deutscher Fußballnationalmannschaften: Die Männer zählen zu den weltweit erfolgreichsten Mannschaften: viermal Weltmeister (1954, 1974, 1990 und 2014), dreimal Europameister (1972, 1980 und 1996) sowie einmal Konföderationen-Pokal-Sieger (2017). Die Frauen gewannen zwei mal den Weltmeister- (2003 2007) und achtmal Europameistertitel (1989, 1991, 1995, 1997, 2001, 2005, 2009 und 2013), nur dürfen die Frauen ja noch nicht so lange spielen, wie die Männer.

Was jetzt, was kommt noch für den Frauenfußball?

Der Vergleich hinkt noch aus einem weiteren Grund: wenn wir ehrlich sind, vergleichen wir nämlich Äpfel mit Birnen. Männer- und Frauenfußball sind zwei verschiedene Sportarten auf einem unterschiedlichen Niveau, was die finanziellen Mittel, die Popularität und letztlich auch die Spielart angeht. Möglicherweise ist das eben auch der Knackpunkt. Vielleicht sollten wir aufhören, es als das Gleiche zu sehen und dementsprechend Gleiches zu erwarten. Gleichstellung ist nicht Gleichbügeln, wenn ihr wisst was ich meine.

Das ist jetzt viel Kritik, nur bisher kaum eine Lösung. Sollten wir alle mehr Frauenfußball schauen, damit es auch für die Wirtschaft und Werbung attraktiver wird? Ich weiß es nicht und wenn es so einfach wäre, dann hätte man es doch bestimmt schon geschafft. Zudem sei noch ergänzt, dass wir uns in Deutschland immer noch in einer privilegierten Position wiederfinden. Das ist keine Entschuldigung sich auszuruhen, sollte aber auf jeden Fall präsent sein.

Frauen Fußball will Anerkennung
Nike

Vor der Europameisterschaft 2017 setzten die Niederlande ein kühnes Statement mit einem neuen Wappen: Der traditionelle Löwe wurde durch eine wilde Löwin ersetzt. Das Team holte den Sieg, begeisterte die Nation und brachte die reiche holländische Fußballtradition wieder zum Vorschein.

Seit Anfang 2018 hat Nike zum Beispiel auch seine Fußballschuhgrößen erweitert und bietet Optionen für Erwachsene und Unisex-Farben bis zur amerikanischen Größe 4 an (zuvor begannen die Größen bei Herrengröße 7). Der Mercurial war der erste Schuh, der in der erweiterten Zwei-Geschlechter-Größe angeboten wurde, jetzt sind alle Nike Fußball-Silhouetten enthalten.

Der schmale Grad

Doch letztlich beginnt alles immer mit uns selbst. Gerade hatte ich noch eine hitzige Diskussion mit meinem Vater - wir sind unterschiedlicher Meinung. Er fragte auch, ob ich Lösungen hätte, immerhin würde ich doch selbst eher Männer- als Frauenfußball anschauen und Gleichberechtigung im kommerziellen Profifußball wäre aus wirtschaftlichen Gründen wohl auch in den nächsten 50 Jahren kaum zu erreichen. Es wäre ja ebenso die Freiheit eines jeden, anzuschauen, was der- oder diejenige mag.

Ja und nein, was sagt ihr, liebe Community?

Schreibt uns doch [email protected] und teilt eure Meinung, Ideen und Wünsche um das Thema mit uns. Wenn euch diese Topics gefallen, wir haben schon eine ganze Reihe an Beiträgen dazu geschrieben, klickt gerne hier auf den Link und kommt direkt zu unserem WMNS Club.